Formtief statt Krise

Beim 1:0-Sieg in Cottbus spielt Schalke 04 erneut ideenlos, wiederentdeckt dabei aber die Wichtigkeit von Andreas Möller. Dessen Tor stürzt den FC Energie noch weiter in Abstiegsdepressionen

aus Cottbus FRANK KETTERER

Die große Davidoff war längst auf Stumpenmaß heruntergepafft, als auch Rudi Assauer noch ein paar Worte anzumerken hatte zur Personalie des Tages. „Möller“, stellte der Republik bekanntester Zigarrenraucher also fest, „Möller war heute der Loser.“ Ein harsches Urteil stellte das dar – und eines, das dann doch einer detailgenauerern Erörterung bedurfte, die Assauer keineswegs schuldig zu bleiben gedachte: „Möller hat scheiße gespielt und kein Tor gemacht“, strafte der allmächtige Manager des FC Schalke 04 weiter ab – und nur am lustigen Funkeln der Augen konnte man erkennen, wie sehr dem Ober-Schalker bei diesen Worten der Schalk im Nacken saß. In Wahrheit nämlich, das hatte Assauer am Rande schon auch mitbekommen, war dieser Möller, Vorname Andreas, der Mann des Tages gewesen im Stadion der Freundschaft zu Cottbus. Eingewechselt in Minute 68, zum bereits entscheidenden 1:0 für Schalke ins Tor getroffen nur 11 Minuten später – man nennt das wohl optimale Ausbeute. Dass Assauer bei der Bewertung dieser Bilanz ins Reich der Ironie flüchtete, legte einerseits offen, wie sehr den Manager die unter der Woche entfachten Diskussionen um den ehemaligen Nationalspieler und dessen zuletzt eher spärliche Leistungen genervt hatten, erklärte andererseits und auf durchaus geschickte Art und Weise den ziemlich unsinnigen Disput auch schon wieder für beendet, noch bevor er größeren Schaden anrichten konnte in der königsblauen Familie. Fragen zu Möller und seinem weiteren Wirken im Kreise der Knappen? Haben sich doch längst erübrigt. Möller, der seine Karriere nach dieser Runde und im stolzen Alter von 35 Jahren beenden will, war der Winner für Schalke und soll es zumindest bis Saisonende auch bleiben – so lautete Assauers Botschaft.

Mit ihr kann sich ganz offensichtlich auch Frank Neubarth anfreunden. Dass der Schalker Trainernovize in der Startelf zuletzt zweimal auf Möller verzichtet hatte, habe ohnehin kein größeres Problem im zwischenmenschlichen Bereich zwischen Trainer und Spieler dargestellt, sondern sei ausschließlich von den Medien zu einem solchen gemacht worden. „Da wurde versucht, Zwietracht zu säen“, stellte Neubarth fest. „Aber das wird nicht passieren.“ Schließlich ist auch der Schalker Übungsleiter davon überzeugt, dass Möller „noch einige wichtige Spiele für Schalke machen wird“.

De facto hat der von der Deutschen Presseagentur bereits zum Auslaufmodell abgestempelte 35-Jährige das erste davon bereits am Samstag in Cottbus abgeliefert. Nach nur einem Punkt in den zurückliegenden drei Bundesligapartien kursierte nämlich auch auf Schalke zuletzt das Krisenvirus, nach glänzendem Saisonstart war man vor der Partie in der Lausitz immerhin auf Tabellenrang 6 abgerutscht. Auf Schalke wird solches längst nicht mehr als standesgemäß empfunden. Zwar versuchten sich Manager und Trainer das Tief mit den manigfachen Verletzungsproblemen schönzureden und die Ruhe zu bewahren, eine Niederlage in Cottbus aber hätte diesen Plan leicht zunichte machen können. Mit seinem ersten Saisontor hat Möller die vermeintliche Krise zumindest vorübergehend wieder auf das Maß eines Formtiefs reduziert.

Dieses allerdings war auch in der Lausitz von beachtlicher Tiefe, weil das Schalker Spiel frei von jeglicher Spielidee daherkam. Weder dem jungen Dänen Christian Poulsen noch Sven Kmetsch gelang es, das Dirigat im Mittelfeld zu übernehmen, davor mühte sich Marc Wilmots mehr, als dass er spielte, die Spitzen Sand und Varela wiederum waren von Beeck und Löw weitgehend abgemeldet. Der Tabellenletzte aus Cottbus wirkte in einem alles in allem armseligen Kick über weite Strecken frischer, schneller, engagierter, kurzum: besser. Zumindest bis Möller kam, das Gewürge der Kollegen wenigstens im Ansatz ordnete – und dann auch noch den entscheidenden Freistoß um die allerdings nur halbherzig gebaute Mauer und ins Tor trat.

Dem FC Schalke 04 hat der Sieg den Anschluss an die Sonnenplätze der Liga erhalten, den FC Energie Cottbus hat er noch weiter ins Tal der Tränen gestürzt – und das gleich im Spiel eins nach dem vermeintlichen Neuanfang, dem unter der Woche der langjährige Spielmacher und Erfolgsgarant Vasile Miriuta zum Opfer gefallen war, der seinen Auflösungsvertrag heute unterzeichnen soll. „Es wird immer enger“, stellte Energie-Trainer Eduard Geyer in Anbetracht der nun schon 7 Punkte Rückstand auf den ersten Nichtabstiegsplatz fest. „Es sieht nicht gut aus.“ Genauer gesagt: Es sieht nach Abstieg aus.

FC Energie Cottbus: Lenz - Kaluzny - Beeck, Berhalter - Schröter, Latoundji (82. Reghecampf), Rost, Gebhardt (82. Reichenberger), Löw - Topic, Rink (73. Jungnickel)Schalke: Rost - Kamphuis, van Hoogdalem, Matellan, Rodriguez - Kmetsch, Poulsen, Böhme (86. Asamoah) - Wilmots (68. Möller) - Varela, SandZusch.: 13.340; Tor: 0:1 Möller (79.)